Case Study:
Die Ausgangslage des Projektes
Als ersten Schritt benötigten die Mitarbeiter Informationen über den Lagerbestand der verschiedenen Produkte und die daraus folgende Produktionsmenge der kommenden vierzehn Tage. Diese Daten und zusätzliche Informationen, die teilweise mündlich kommuniziert wurden, mussten nun zur weiteren Verarbeitung manuell in Microsoft Excel übertragen werden. Als Ergebnis der Berechnungen erhielten die Mitarbeiter eine Liste mit tausenden Artikeln und den zur Erreichung der Zielreichweite zu produzierenden Mengen.
Für die Erstellung des Produktionsplans mussten anschließend die Artikel unter Berücksichtigung der Produktionskapazitäten und weiterer Rahmenbedingungen von Hand auf die Produktionslinien verteilt werden. Falls der resultierende Produktionsplan nicht alle Rahmenbedingungen erfüllen konnte, wurde die Zielreichweite für einzelne Produktgruppen angepasst. Dieser gesamte Prozess musste so lange iterativ durchgeführt werden, bis ein zumindest akzeptables Ergebnis erzielt wurde. Aufgrund der zahlreichen Abhängigkeiten war es für den Planer jedoch unmöglich, sicher zu sein, ob es das optimale Ergebnis war.
Als letzter Schritt der Planung wurden die entsprechenden Fertigungsaufträge im ERP-System generiert. Dieser komplexe Planungsprozess benötigte nicht nur sehr viel Zeit, sondern führte zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit und der Unsicherheit bezüglich der Aktualität von Informationen. Die Zielsetzung für die neue Lösung: Der manuelle Prozess muss auf den Prüfstand und ganzheitlich mit Hilfe neuer Technologien vereinfacht werden, um agil auf veränderte Kundenwünsche reagieren zu können.
Rahmenbedingungen der Produktionsplanung
Planungsvorgaben
- Priorisierung der Anlagen
- Artikelfreigaben für Anlagen
- Wirtschaftliche Losgröße
- Rüstzeiten
Artikelvorgaben
- A, B und C Klassifikation
- Minimale und maximale Artikelreichweiten
- Lagerbestand halbfertiger Artikel
- Taktzeiten
Produktionskapazität
- Personalplanung
- Maschinenkapazitäten
- Materialverfügbarkeit
Umsetzung
Akzeptanz schaffen für notwendige Veränderungen
Allerdings zeigten sich nun neben den Hoffnungen der Mitarbeiter mehr und mehr Ängste. Dazu gehörten beispielsweise zukünftige Abhängigkeiten von der Software oder die persönliche Überforderung durch die digitale Welt. Zusätzlich kam in den weiteren Gesprächen mit dem Kunden der Einwand, dass man solch komplexe Zusammenhänge und die jahrelange Erfahrung der Mitarbeiter nicht in einer Software abbilden könne. Dies ist oft die erste Reaktion und nicht allein auf die Angst vor Veränderungen zurückzuführen. Vielmehr fehlt oft einfach das Wissen darüber, was heute technisch möglich ist. Um hier mehr Vertrauen aufzubauen und einen tieferen Einblick in den bisherigen manuellen Prozess zu bekommen, begleiteten wir einen zweitägigen manuellen Planungslauf mit den Mitarbeitern des Kunden.
Ein entscheidender Punkt für die Akzeptanz solcher vollautomatisierten Lösungen ist eine übersichtliche Visualisierung der Ergebnisse, bei der die Planer die Möglichkeit haben, von einer ersten Gesamtübersicht aus über Drilldown-Funktionen alle Ergebnisse bis ins letzte Detail prüfen zu können. Außerdem sollten sie mit dem System experimentieren können, um nachzuvollziehen, wie der Optimierer auf unterschiedliche Eingangsdaten und Rahmenbedingungen reagiert. So nimmt der Mitarbeiter das System nicht als Blackbox wahr, sondern als Hilfsmittel, welches ihn bei seiner täglichen Arbeit unterstützt.
Um dem Kunden die Entscheidung für das Projekt zu erleichtern, wurde es in mehrere Phasen aufgeteilt. Eine bei der agilen Softwareentwicklung bewährte und häufig benutzte Methode, mit der sich auch das finanzielle Risiko deutlich verringern lässt. Bewährt hat sich dabei die Vorgehensweise, in den ersten Phasen diejenigen Komponenten des manuellen Prozesses zu identifizieren, die sich mit einfachen Mitteln automatisieren lassen. So hat das Unternehmen nach jeder Phase einen Nutzen, der sich direkt positiv auf die Produktion und die Akzeptanz des Projekts auswirkt. Außerdem können weitere Erkenntnisse gewonnen werden, die so in die Realisierung der nächsten Phasen miteinfließen können.
Daher wurde in der ersten Phase ein Softwaretool in InnoMES integriert, das nun den vorbereiteten Produktionsplan übernimmt und bei der Erstellung der Fertigungsaufträge automatisch den Zwischenlagerbestand berücksichtigt. Schon allein dieser Schritt führte zu einer deutlichen Reduzierung der für die Produktionsplanung benötigten Zeit im Vergleich zum vorherigen manuellen Prozess.
Als letzter Schritt der Planung wurden die entsprechenden Fertigungsaufträge im ERP-System generiert. Dieser komplexe Planungsprozess benötigte nicht nur sehr viel Zeit, sondern führte zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit und der Unsicherheit bezüglich der Aktualität von Informationen. Die Zielsetzung für die neue Lösung: Der manuelle Prozess muss auf den Prüfstand und ganzheitlich mit Hilfe neuer Technologien vereinfacht werden, um agil auf veränderte Kundenwünsche reagieren zu können.
Forschungsnetzwerk einbinden
Danach folgte die anspruchsvollste Phase des Projektes: Die Erstellung und Integration eines Optimierers in InnoMES. Dieser Optimierer erstellt aus sämtlichen relevanten Eingangsdaten und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen vollautomatisiert einen auf einstellbare Zielsetzungen hin optimierten Produktionsplan. Dies stellt eine sehr komplexe mathematische Aufgabenstellung dar, für die es teure kommerzielle Produkte gibt, die oftmals das Budget eines KMU übersteigen. Um eine auch für KMU verwendbare Lösung zu finden, nutzte die ATR Software GmbH ihr Forschungsnetzwerk und setzte diese Phase des Projekts in Zusammenarbeit mit der Universität Ulm um.
Als Erstes wurden die Anforderungen an den Optimierer nochmals gemeinsam mit den Wissenschaftlern vor Ort beim Kunden verfeinert. In der anschließenden Implementierungsphase wurde in mehreren Iterationen das mathematische Modell für den Optimierer von den Wissenschaftlern entworfen und von der ATR Software GmbH in die Lösung integriert. Bei der Vorstellung der Ergebnisse zeigten sich die Mitarbeiter sichtlich beeindruckt von der Qualität des resultierenden Produktionsplans. Alle Rahmenbedingungen und Zielsetzungen wie zum Beispiel die Reduktion der Herstellungskosten wurden exakt erfüllt und somit die Erwartungen an die Lösung weit übertroffen.
Unterteilung der Planung in kleinere Schritte
Allerdings benötigte der Optimierer mehr als vier Stunden für die Berechnung des Plans auf einem handelsüblichen Server. Das Ziel der Kooperation mit der Universität war daher nicht nur, eine sehr gute Lösung für die Optimierung der Planung zu finden, sondern zu zeigen, dass solch komplexe Modelle auch ohne Hochleistungsserver in akzeptabler Zeit berechnet werden können. Das gelang schließlich, indem die Planung in kleinere Schritte unterteilt wurde und diese anschließend separat optimiert wurden. Dadurch konnten die Berechnungszeiten bei nahezu identischen Ergebnissen auf knapp fünf Minuten reduziert werden, was wiederum ganz neue Einsatzmöglichkeiten bietet. So könnte beispielsweise bei ungeplanten Anlagenstillständen oder Personalausfall jederzeit ein optimierter Plan erstellt werden.
Fazit
Schon allein durch die Einsparungen bei der Arbeitszeit für die Erstellung des Produktionsplans rechnen sich solche Systeme innerhalb von zwei bis drei Jahren. Bei diesem Projekt war das aber nur einer von vielen Vorteilen. Durch die Integration des Optimierers in InnoMES, kann dieser jederzeit auf die aktuellen Produktionsdaten zugreifen, wodurch die vorher notwendige Kommunikation zwischen Produktionsmitarbeitern und Planer entfällt. Durch die hohe Qualität des optimierten Produktionsplans sind Anpassungen nur noch bei ungeplanten Ereignissen notwendig, was zu deutlich mehr Ruhe in der Produktion beiträgt. Auf diese nicht vermeidbaren Anpassungen kann nun durch die kurzen Berechnungszeiten des Optimierers agil reagiert werden.
In dem Projekt machte sich außerdem bezahlt, dass ATR Software Lösungen vom MES über Leitsysteme bis hin zur Maschi-nensteuerung aus einer Hand anbietet. Denn dadurch konnten die Maschinensteuerungen ideal an den Produktionsplan angepasst werden, wodurch sich zusätzliche Produktivitätssteigerungen ergaben. Dieser Use Case zeigt deutlich welche Vorteile für KMU entstehen können, wenn sie ihre Prozesse hinterfragen und mit Hilfe von Experten verbessern und ganzheitlich digitalisieren.
Quelle: DIGITAL MANUFACTURING Magazin